Franz Xaver Schnyder von Wartensee wurde am 18. April 1786 in Luzern geboren und starb am 27. August 1868 in Frankfurt am Main. Franz Xaver war Sohn des Offiziers in französischen Diensten und späteren Grossrats in Luzern Jost und der Maria Emerentia Schnyder von Wartensee. Auf Wunsch des Vaters lernte Schnyder schon früh Violine spielen; seit 1802 nahm er auf eigenen Antrieb Klavierstunden bei Peter Hegglin in Luzern. Zwischen 1799 und 1805 besuchte er das Gymnasium in Luzern. Nach der Schulzeit sah der Vater für den Sohn eine Beamtenlaufbahn vor, worauf dieser als Praktikant im Büro der Finanz- und Staatswissenschaftlichen Kammer der Regierung Luzerns arbeiten konnte. Doch Schnyder erkrankte bei dieser Arbeit und quittierte den Dienst. 1806/1807 trat er erstmals als Pianist in Luzern auf. Als begabter Musikliebhaber wirkte Schnyder am 28. Juni 1808 beim Gründungskonzert der "Schweizerischen Musikgesellschaft" in Luzern als Cellist mit. Beim zweiten Musikfest dieser Gesellschaft, das im Herbst 1809 in Zürich stattfand und von Hans Georg Nägeli (1773-1836) geleitet wurde, gelangten Werke von Georg Friedrich Händel und Joseph Haydn zur Aufführung, wobei Schnyder Viola spielte. Beim dritten Musikfest 1810 in Luzern übernahm Schnyder den Paukenpart und beteiligte sich an der Organisation des Festes.
Für Kompositionsstudien bei Hans Georg Nägeli hielt sich Schnyder von Ende 1810 bis Anfang 1811 in Zürich auf. Nägeli musste wegen Zeitmangels den Unterricht jedoch an Joseph Gersbach (1787-1830) abgeben, der Schnyder aber lediglich in musiktheoretischen Fragen beraten konnte. In Zürich lernte Schnyder auch die Komponisten Philipp Christoph Kayser (1755-1823) und Anton Liste (1772-1832) kennen. Durch Nägeli wurde Schnyder ermuntert, das Vokalquartett "Das Grab" am Musikfest in Schaffhausen 1811 aufzuführen. Carl Maria von Weber gratulierte ihm bei dieser Gelegenheit zu diesem Erstlingswerk. Vor dem Antritt zu einer grossen Bildungsreise nach Wien trat Schnyder in Zürich der Loge "Modestia cum Libertate" bei, in der sich auch Kayser engagierte.
In Wien beabsichtigte Schnyder, bei Ludwig van Beethoven zu studieren. Dieser erteilte jedoch keinen Unterricht, sondern erklärte sich lediglich bereit, Schnyders Kompositionen zu begutachten. Dieser überbrachte Beethoven ein Empfehlungsschreiben von Ignaz Paul Vital Troxler (1780-1866) und eine dezidierte Klaviersonate von Anton Liste. Statt bei Beethoven studierte Schnyder nun Harmonielehre und Kontrapunkt beim Cherubini-Schüler Johann Christoph Kienlen (1783-1829). Dieser war ihm aber mehr auf technischer als auf ästhetischer Ebene eine Hilfe. Am gesellschaftlichen und musikalischen Leben von Wien nahm Schnyder ebenfalls teil, wobei er etwa die Bekanntschaft mit Carl Czerny machte. Als Kienlen Kapellmeister am "Hoftheater an der Schwechat" des Freiherr von Zinnicq in Baden bei Wien wurde, reiste ihm Schnyder nach. Ein schwerer Stadtbrand am 26. Juli 1812 zerstörte den ganzen Besitz (Kompositionen, Instrumente) von Schnyder, der daraufhin in die Schweiz zurückkehrte.
Am 1. August 1814 heiratete er Karoline von Hertenstein (1785-1827) und bezog das elterliche Schloss Wartensee am Sempachersee. Angeblich ohne sein Wissen lud sich Schnyder mit diesem Schloss grosse Schulden auf. Daher übernahm er 1816 eine Anstellung als Gesangslehrer am pädagogischen Institut von Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827), das im Schloss von Yverdon angesiedelt war. Zu Pestalozzis Geburtstag im Jahre 1817 verfasste Schnyder eine Kantate, von der später ein Vokalquartett "Der Friede" und eine Arie für Bass "Pestalozzi's Leiden und Verklärung" im Druck erschienen. Im Spätsommer 1817 verliess Schnyder Yverdon bereits wieder und ging im Herbst 1817 nach Frankfurt, wo er Privatunterricht erteilte, Johann Nepomuk Hummel zu seiner Bekanntschaft zählen konnte und Freundschaft mit Ludwig Spohr schloss, den er 1816 beim Musikfest der "Schweizerischen Musikgesellschaft" in Freiburg kennen gelernt hatte. 1828 gründete er den "Frankfurter Liederkranz" und verbreitete die Ansichten von Hans Georg Nägeli zum Chorgesang. 1831 stellt Schnyder dem Pädagogen Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782-1852) das Schloss Wartensee für eine Erziehungsanstalt zur Verfügung. Zu jener Zeit gelangte auch die Märchenoper "Fortunat" (2. Oktober 1831) in Frankfurt zur Uraufführung. Neben ausgedehnten Reisen machte er sich in Frankfurt auch durch die Aufführung seines Oratoriums "Zeit und Ewigkeit" im Juli 1838 im Rahmen des "Ersten Deutschen Sängerfestes" einen Namen. Um 1841 hegte Schnyder den Gedanken, wieder in die Schweiz zurückzukehren, liess in der Umgebung von Luzern ein Haus bauen, das 1844 fertiggestellt wurde. Vor seiner Rückkehr nach Luzern (1844) unterrichtete er in Frankfurt neben anderen Schülern auch Jakob Rosenhain (1813-1894) und John Barnett (1802-1890). 1847 gründete Schnyder eine auf seinen Namen lautende Stiftung, die sich für die Förderung der Kunst und Wissenschaft einsetzen soll. Schnyders grosse Bedeutung für das Musikleben wurde durch zahlreiche Ehrenmitgliedschaften, etwa vom "Musik-Collegium in Winterthur", der "Allgemeinen Musik-Gesellschaft Zürich" oder dem "Musikverein in Mannheim", bestätigt. 1847 heiratet Schnyder die aus St. Gallen stammende Josephine Jahn. Danach zog er endgültig nach Frankfurt, wo er auch verstarb.
Quelle der Biografie: Lukas Näf
Werkliste
Vier Kinderlieder
Besetzung: für zwei bis drei Singstimmen
1. Mailied
2. Frühlingslust (Ernst Moritz Arndt)
3. Wunsch des Bübchens (Johann Konrad Nänny)
4. Die Wolken
1. Elegie auf ein Landmädchen (Ludwig Heinrich Christoph Hölty)
2. Das Feenland (Friedrich Matthisson)
3. Der Abend (Friedrich Matthisson)
4. Die untergehende Sonne (Karoline Rudolphi)
5. Feenreigen (Friedrich Matthisson)
6. Des Morgens im Saat-Felde (Karoline Rudolphi)
7. Trinklied im May (Ludwig Heinrich Christoph Hölty)
Besetzung: für Singstimme und Klavier, zwei Singstimmen und Klavier und drei Singstimmen
Text: Johann Wolfgang von Goethe
1. Die Ruh' im Grabe: "Im Grabe ist Ruh!" [Stimme, Kl]
2. Aennchen von Tharau: "Aennchen von Tharau ist, die mir gefällt" (Simon Dach) [Stimme, Kl]
3. Mein Liebchen: "Ich hab ein holdes Liebchen" [zwei Stimmen, Kl]
4. Die Liebe Gottes in Christo: "Dir dank' ich Gott für Deine Liebe" [drei Stimmen a cappella]
5. Das Häuschen: "Dort oben auf buschigem Hügel" [Stimme, Kl]
6. Andenken: "Ich denke dein" (Friedrich von Matthisson)[Stimme, Kl]
7. Antwort: "Im Sonnenschimmer" (Johann Christoph Friedrich Haug) [Stimme, Kl]
8. Das gute Gewissen: "Wie ist es mir so wohl um's Herz" [Stimme, Kl]
9. Glück der Treue: "Ein getreues Herz zu wissen" (Paul Flemming) [Stimme, Kl]
10. Das Hüttchen am Flusse: "Wo des Flusses Wellen glänzen" [Stimme, Kl]
Estelle oder Leichter Sinn und Liebesmacht (1822-1825)
Grosse komische Oper in drei Aufzügen
Besetzung: für Singstimmen, Chor und Orchester (2,2,2,2 - 2,2,1,0 - Pk, Tri ad lib. - Str)
Text: Franz Xaver Schnyder von Wartensee
Personen:
Frau Düplant (S)
Hippolit (S)
Estelle (S)
Auda (S)
Ursula (S)
Eduard (T)
Carl (T)
Lunes (B)
Herr Düplant (B)
Dormano (B)
La fleur (B)
Le court (B)
Korporal
1. Zufriedenheit (Johann Martin Miller)
2. Heidenröslein (Johann Wolfgang von Goethe)
3. Andere Melodie zu Heidenröslein (Johann Wolfgang von Goethe)
4. Einladung zum Tanze (Johann Wilhelm Ludwig Gleim)
5. Das Liedchen vom Amor (Johann Nikolaus Götz)
6. Die Spröde (Johann Wolfgang von Goethe)
7. Die Bekehrte (Johann Wolfgang von Goethe)
8. Röschens Sterbelied (Friedrich Rückert)
Fortunat mit dem Säckel und Wünschhütlein (1827-1828/1941)
Märchenoper in drei Abteilungen
Besetzung: für Singstimmen, Chor (SATB) und Orchester (2,2,2,2 - 2,2,1,0 - Pk, Schlgz(Tri, Be, B-Tr) - Str)
Text: Georg Döhring
Personen:
Claudio, König von Zypern (B)
Alida, seine Tochter (S)
Agrippina, seine Base (S)
Graf Pedro, deren Bruder (B)
Fortunat, ein armer Edelmann und Page des Königs (T)
Carlino, ein Hofkavalier (T)
die Erscheinung der Fortuna (S)
Herren und Damen vom Hofe, Reichstände, Wachen, Kaufleute, Gärtner und Gärtnerinnen, Volk
Peter Otto Schneider und Max Terpis fertigten 1941 eine Bühnenbearbeitung der Oper an.
1. Nachtgesang (kann als Quartett gesungen werden)
2. Trunkenheit
3. Ergo bibiamus
4. Am Geburtstage (kann als Quartett gesungen werden)
5. Wanderers Nachtlied (kann als Quartett gesungen werden)
6. Zur Feier eines verdienstvollen Mannes
1. Sangeslust
2. Das Vaterland
3. Gesundheitsgefühl
4. Kriegesmuth
5. Sennenleben
6. Die Sennen an die fremden Reisenden
7. Der Sennen Weinlied
8. Der Reichtum der Sennen
9. Lob der Frauen
10. Am Grabe eines Pfarrers
11. Schützenlied
12. Abendlied
Besetzung: für Männerchor und Alphorn (Waldhorn) ad lib.
1. Heimweh nach der Schweiz (Alphorn ad lib. oder, in Ermangelung desselben, Waldhorn in C)
2. Himmel auf Erden
3. Diese Drei (Johann Jakob Sprüngli)
4. Licht und Wärme (Johann Jakob Sprüngli)
5. Turnlied
6. Turners Frühlingsmorgen (Lorenz Diefenbach)
7. Frühlingslust (Ernst Moritz Arndt)
8. Der Mond (Ignaz Heinrich von Wessenberg)
Marretta-Schär, Luise: Artikel "Schnyder von Wartensee (Franz) Xaver", in: The New Grove dictionary of music and musicians (Zweite Auflage), Bd. 22, hrsg. von Stanley Sadie, London 2001, S. 571-572
Artikel "Schnyder von Wartensee, (Franz) Xaver", in: Baker's biographical dictionary of musicians (Achte Auflage), hrsg. von Nicolas Slonimsky, New York 1992, S. 1628
Koch, Alois: Zum 200. Geburtstag des Luzerner Komponisten Schnyder von Wartensee, in: Vaterland 84 (1986)
Artikel "Schnyder v. Wartensee, Xaver", in: Schweizer Musiker-Lexikon, hrsg. von Willi Schuh (et al.), Zürich 1964, S. 332-334
Schneider, Peter Otto: Artikel "Schnyder von Wartensee, Franz Xaver", in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart (Erste Auflage), Bd. 11, hrsg. von Friedrich Blume, Kassel 1963, Sp. 1922-1926
Xaver Schnyder von Wartensee und Hans Georg Nägeli. Briefe aus den Jahren 1822 bis 1835, hrsg. von Peter Otto Schneider (Neujahrsblatt der Allgemeinen Musikgesellschaft Zürich 146), Zürich 1962
Xaver Schnyder von Wartensee und Hans Georg Nägeli. Briefe aus den Jahren 1811 bis 1821, hrsg. von Peter Otto Schneider (Neujahrsblatt der Allgemeinen Musikgesellschaft Zürich 142), Zürich 1955
Scheider, Peter Otto: Schnyder von Wartensee's Oratorium "Zeit und Ewigkeit", in: Schweizerische Musikzeitung 5 (1943), S. 171-172
Schneider, Peter Otto: Schnyder von Wartensee's musikgeschichtliche Stellung, in: Schweizerische Musikzeitung 8 (1943), S. 255-259
Leonhard Ziegler und Xaver Schnyder von Wartensee im Briefwechsel, hrsg. von Peter Otto Scheider (Neujahrsblatt der Allgemeinen Musikgesellschaft Zürich 129), Zürich 1941
Schneider, Peter Otto: Zur Neubearbeitung der Oper "Fortunat" von Xaver Schnyder von Wartensee, in: Schweizerische Musikzeitung 10 (1941), S. 271-272
Erinnerungen Xaver Schnyder's von Wartensee, hrsg. von Willi Schuh, Zürich 1940
Scherchen, Hermann: Zur ersten Aufführung der III. Sinfonie von Xaver Schnyder von Wartensee (1786-1868), in: Schweizerische Musikzeitung 3 (1940), S. 53-58
Schuh, Willi:Xaver Schnyder von Wartensee und Theodor Fröhlich als Liederkomponisten. Referat, Zürich 1940
Artikel "Schnyder von Wartensee, Xaver", in: Schweizer Musikbuch. Musikerlexikon, Bd. 2, hrsg. von Willi Schuh (et al.), Zürich 1939, S. 180-182
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Weber, Heinrich:Xaver Schnyder von Wartensee (Neujahrsblatt der Allgemeinen Musikgesellschaft Zürich 59), Zürich 1871
Widmann, Benedict:Der Fünfachteltakt nebst dessen Herleitung aller Taktarten. Rythmik, Offenbach 1861
Nägeli, Hans Georg: Recension. Gedichte von Ludwig Uhland, in Musik gesetzt von Franz Xaver Schnyder von Wartensee. Leipzig bey Peters. (Pr. 1 Thlr.), in: Allgemeine musikalische Zeitung 28 (1821), S. Sp. 481-486
Nägeli, Hans Georg: Recension. Gedichte von Ludwig Uhland, in Musik gesetzt von Xaver Schnyder von Wartensee. Leipzig bey Peters. (Pr. 1 Thlr.) (Fortsetzung), in: Allgemeine musikalische Zeitung 29 (1821), S. Sp. 497-506
Nägeli, Hans Georg: Recension. Gedichte von Ludwig Uhland, in Musik gesetzt von Xaver Schnyder von Wartensee. Leipzig bey Peters. (Pr. 1 Thlr.) (Beschluss), in: Allgemeine musikalische Zeitung 30 (1821), S. Sp. 513-523