Geboren in Helsinki. Musikalische Ausbildung in Theorie und Komposition an der Musikakademie in Basel 1975-79. Es entstehen musikszenische Kompositionen, elektronische und kammermusikalische Werke. 1984/85 Gast und Stipendiat am Istituto Svizzero di Roma. 1. Preis am Internationalen Komponistenseminar in Boswil 1984. Mitbegründer der Konzertreihe "Fabrikkomposition" in der Roten Fabrik Zürich (1981-89). Intensive Beschäftigung mit neu gestimmten Instrumenten. Kompositions- und Meisterkurse bei Heinz Holliger und Klaus Huber. 1994 Werkjahr der Stadt Zürich. Diverse Stipendien, Kompositionsaufträge und Rundfunkproduktionen.Das Werkverzeichnis von Edu Haubensak umfasst vokale und instrumentale Orchester- und Kammermusik, musikszenische und radiophone Werke, sowie Konzeptkompositionen, Performances und Klanginstallationen.Er lebt und arbeitet in Zürich.
Werkliste
Metamorphose (1976)
Besetzung: für Gitarre solo
Dauer: 6' 00"
Hug & Co. Musikverlage
Limmatquai 28-30 CH-8001 Zürich
Schwarz Weiss (1979)
Besetzung: für Klavier solo
Dauer: 10' 00"
Hug & Co. Musikverlage
Limmatquai 28-30 CH-8001 Zürich
Gleichgewichte (1979-1981)
Besetzung: für 2 Violinen, 2 Violen, 2 Klarinetten, Posaune, 2 Darsteller, Bild, Objekt
Die 'Idiorhythmische Studie' ist eine einsame Suche nach Rhythmen, die durch den eigenen Körper auf einem Stuhl erzeugt werden. Setzt sich ein Mensch (das Publikum) auf den Holzstuhl und bewegt er sich langsam mit den aufgesetzten Kopfhörern, nimmt er seine eigenen Bewegungen wahr. Die Studie ist ein geschlossenes System, indem jeder einzelne Besucher der Installation als Interpret und als Zuhörer sein eigenes Konzert kreiert. Eine Studie mit sich selber.
Aequidistante, chorisch sechsteltönige Stimmung.
In dieser Stimmung wird der Klang des Konzertflügels entscheidend verändert und der erste Höreindruck lässt an ein fremdes, uns unbekanntes Instrument denken.'Spazio' meint Raum oder verhallte Reden. Jede Tonhöhe der mittleren und hohen Lage des Klaviers wird 'räumlich' gestimmt. Die drei Saiten jedes einzelnen Tones differieren um einen Sechstelton (33 Cent),nur die einzelnen Bassaiten bleiben unverändert bestehen. Mit dieser Skordatur sind dichte Cluster spielbar, die bei zehn gedrückten Tasten dreissig verschiedene Tonhöhen erklingen lassen. Wagen wir ein Wort: Geräuschkuben.
Vier Schlagzeuger durchkreuzen die Reihen des Publikums nach einem vorgezeichneten choreographischen Plan. Das Aufeinanderprallen der Beckenteller hinter dem Kopf nahe bei den Ohren lässt die Klänge direkt ins Innere des Körpers gelangen: Es erscheint ein Kaleidoskop von sich überlagernden Tonhöhen, die sich gegenseitig verstärken oder auslöschen, stören oder harmonieren – es entsteht ein fast 'privater' Klang. Das Innen und Außen, das Weite und Nahe, das langsam sich im Raum verändernde, skulpturale Gebilde von klingendem Metall ist eine Botschaft ohne benennbaren Schlüssel: Message.
Robert Walsers Aphorismen – er nennt sie Sätze – tauchten mir unverhofft während der nächtlichen Lektüre zwischen seinen Prosastücken auf. Die an einem Tag entstandenen kompositorischen Skizzen wurden graphisch und verbal fixiert (gezeichnet), später ausgedeutet (kristallisiert) und in eine präzise Notation gesetzt. Der Interpretation des Textes entsprechend sind die melodischen Schritte der Frauenstimme oftmals mikrotonal, in kleinsten Intervallen auszuführen. Die Violine wird für die sechste Miniatur umgestimmt, und es erscheinen neue, abgründige harmonische Situationen und Reibungen zwischen den Saiten und dem Gesang.
Walsers Texte in Musik zu setzen, sie in die Höhe zu heben, und deren Tiefe auszuhalten, erfüllte mich mit einer "sehr feinen Freude".
I. Zehn Kugeln (Prolog)
II. Veränderte Luft
III. Achtundachzig Punkte (Epilog)
Nichtaequidistante, allveränderte Stimmung, (nichtoktavrepetierend).
Die dreiteilige Komposition beruht auf einer Stimmung, in der sämtliche Tonhöhen des Klaviers leicht verändert werden. Die Mutationen der Frequenzen betragen 1-44 Cent höher oder tiefer (kleiner als ein Viertelton) und ergeben eine Vielfalt von differenten Intervallen. Das Resultat der Skordatur ist wie eine leichte Bewegung mit der Hand durch eine regelmässig organisierte Struktur. Der Hauptteil beschäftigt sich mit den verrückten Quinten und Oktaven, die sich in grösseren harmonischen Gebilden verbinden und wiederum lösen. Der langsame Prolog und der schnelle Epilog bestehen aus den 88 Tonhöhen des Klaviers, zuerst als 'harmonische Kugeln' und zum Schluss als 'additive Punktreihe' in schnellem, kontinuierlichen Tempo.
Aequidistante, chorisch fünfsechsteltönige Stimmung.
Sämtliche Töne des Klaviers sind (mit Ausnahme des Bassregisters) chorisch verändert und um zweimal 166 Cent erweitert gestimmt. Ein Ton (Taste) ergibt einen 'Dreiklang', der etwas grösser ist als eine kleine Terz. Dieser Klang ist das Material der Komposition mit dem Titel 'Halo', das einen Dunstkreis (um den Mond) oder eine Schattierung bedeutet.
Wie schon in 'Spazio' (dort chorisch zweimal 33 Cent) sind deutlich wahrnehmbare Tonhöhen nur im Bassbereich möglich, in den mittleren und hohen Lagen sind die Melodien gestreut als Konglomerate wahrnehmbar. Die Klänge sind aber keineswegs nur harmonisch gedacht, das perkussive, trommelähnliche, meist Weiche oder Sanfte der Klänge ist oft mit harten (martellato) Anschlägen durchsetzt. Die Komposition erkundet in dieser vierten Stimmung erneut das mehrdimensionale eines Klanges und ist ein weiterer Versuch, das Klavier als ein anderes Instrument erscheinen zu lassen als wir es uns gewohnt sind.
Nichtaequidistante, allveränderte Stimmung (3-89 Cent).
Die symmetrisch gebaute, veränderte Stimmung der 88 Tonhöhen ist verwandt mit der Skordatur in 'Veränderte Luft'. Der Grad der Veränderungen hingegen ist verdoppelt worden und beträgt maximal 89 Cent. Die möglichen Intervallkonstellationen sind äusserst vielfältig und in jeder Oktave wieder anders gefärbt.
Die Variationen haben kein Thema im klassischen Sinne, sie verstehen sich eher permutativ kreisend. Die konsonanten Intervalle wie die Oktaven, Quinten oder Quarten, werden durch die Skordatur leicht verändert wahrgenommen und erhalten eine vibrierende Gestalt. Mittels Stimmkreuzungen sind die melodischen Wege mit dem Ohr immer wieder neu wählbar und die Kombinationen der Klänge sind symmetrisch oder additiv gereiht. Die gehäuften Töne am Schluss der Komposition verlieren sich allmählich in den tiefsten Registern und verklingen wie ein dunkler Schweif...
Schon im Titel meiner Komposition erscheinen zwei Wörter, die in der Musik eine zentrale Stellung einnehmen. Das Falsche und das Schöne. Darf Musik schön sein und gleichzeitig falsch oder soll sie wahr sein? Alte Fragen werden neu kombiniert.
Eigentlich wollte ich eine Komposition schreiben ohne Rhythmen. Selbstverständlich ist das im Zusammenhang mit Zeit eine grossartige Illusion. Die Idee wird erprobt im Verzicht auf das rhythmische Gestalten der acht Einzelstimmen. Tempovariationen und polymetrische Netze ergeben im Zusammenspiel eine zurückhaltende und unauffällige Struktur und der Weg ist frei für die Harmonik.
Alle zweiunddreissig Saiten der Instrumente sind verändert gestimmt, Streichquartett 1 um 2o Cent, Streichquartett 2 um 4o Cent erhöht oder erniedrigt. Da haben wir das Falsche, das Ungewohnte in unseren Ohren. Aber die Luft vibriert ungefragt und kümmert sich nicht um das Schöne, das Falsche oder Wahre in der Musik.
Besetzung: für Klavier solo in zehn verschiedenen Stimmungen
Zehn Werke für Klavier solo (zehn Skordaturen). Alle Skordaturen sind realisierbar und schädigen die Instrumente nicht.
Alle zehn Kompositionen können frei zusammengestellt, einzeln oder in Werkgruppen aufgeführt werden.
Benötigt werden bei einer Gesamtaufführung 4 Steinway B bei kleineren Sälen oder 4 Konzertflügel (Steinway D) in einem grösseren Saal (ab 200 Personen).
Campi Colorati I-III - Komposition für Klavier in neuer Stimmung
Spazio- 2. Stimmung
Veränderte Luft - 3. Stimmung
H A L O - 4. Stimmung
Gefärbte Variationen - 5. Stimmung
Fünf Zusammenhänge - 6. Stimmung
Suite - 7. Stimmung
Coro Nuovo - 8. Stimmung
Pur - 9. Stimmung
Collection - 10. Stimmung
für Saxofon (Sopr./Alt in Skordatur), Klavier und Perkussion
Dauer: 17' 30"-18' 00" Manuskript
ON (2016)
Duo für Schlagzeug und Gitarre (in Skordatur)
"ON bedeutet hier ein Vorwärtsgehen eines Pulses, ein 'go onʼ von wechselnden
Metren und Tempi. Das meist langsam pulsierende Werk wird durch das Schlagzeug polyrhythmisch verändert. Diese etwas rascheren oder langsameren Tempi sind variierend gegen das Grundtempo verschoben und irritieren die Wahrnehmung der etablierten Zeitebenen. Ein kleines Set von Schlaginstrumenten, eine kleine Trommel und ein grosses Becken ist klanglich äquivalent zur akustischen Gitarre.
Mit der gesetzten Skordatur von drei Saiten (E-20 Cent, D+40 Cent und H-60 Cent) erscheinen neue harmonische Konstellationen im Zusammenklang mit den temperiert gestimmten Saiten. Insbesondere ist für die akustische Gitarre eine reiche Palette von erweiterten Klängen zu hören. Unterstützt oder verändert werden diese Klänge durch die Anweisungen stufenweise sul ponticello oder sul tasto zu spielen. So entstehen, neben den Mikroharmonien, unterschiedlich abgestufte Obertonqualitäten.
Die Uraufführung fand am 6. April 2017 im Kunstraum Walcheturm in Zürich mit Christian Buck (Gitarre) und Christian Wolfarth Schlagzeug) statt."
Besetzung: für 2 Vibrafone, eines davon mit Skordatur
"Ein Werk zu schreiben für zwei Vibrafone ist für einen Komponisten eine seltene
Besetzung. Insbesondere wenn das eine Instrument sich in einer veränderten
Stimmung befindet und deutlich von der herkömmlich temperierten Stimmung
abweicht. PONDS, der Titel dieser Komposition ist eine Erinnerung an Teiche im Nordwesten von London. Der 'innereʼ Zustand eines Teichs oder Weihers ist unergründlich und die Bewegungen im Wasser sind minim. Diese langsam sich verändernden Zustände bewegen sich in der komplexen Harmonik meiner Musik innerhalb von streng pulsierenden Rastern, und die diversen Tempi strukturieren die Komposition in neun Segmente, Teile oder eben Teiche. Die Rhythmen entstehen in PONDS durch mehrfach geschichtete Schwebungen, welche durch die Mikrointervalle generiert werden. Das kleinste Intervall beträgt minime 10 Cent, das ist ein Zehntel eines Halbtones und erzeugt in den tiefen Lagen langsame und in den hohen rasche Schwebungen. Bei zwei Instrumenten verdoppeln sich die Komplexitäten der sich überlagernden Töne, die Texturen verdichten sich zu Klangaggregaten und bilden neuartige Mikroharmonien.
EH"
Haubensak, Edu: Musik ohne Gewicht. Der amerikanische Komponist Morton Feldman und sein radikales Denken, in: NZZ (10.1.2015) 7 (2015), S. 59 [Internet]
Möller, Torsten: Mathematisch, mithin poetisch. Komponistenporträts von Edu Haubensak und René Wohlhauser, in: Dissonanz 108 (2009), S. 55
Zimmerlin, Alfred: Wo sind die Orientierungspunkte?, in: NZZ (2. Mai 2003) (2003), S. 58
Rakusa, Ilma (et al.): Stück für 2 Stimmen (Odem), in: Du 5 (1996), S. 68-70