Meier kann kompositorisch nicht als Vertreter seiner eigenen Generation betrachtet werden, eher ist er den etwa zwanzig Jahre Jüngeren (Boulez, Stockhausen) zuzurechnen. In singulärer Weise wandte er sich von den Kompositionsm(eth)oden seiner Altersgenossen ab und beteiligte sich – wenn auch als Unbekannter – an der Erneuerung der europäischen Kunstmusik. Meier ist deshalb der mit Abstand älteste Vertreter der Nachkriegsavantgarde. Sehr früh erkundete er serielle und punktuelle Techniken und arbeitete ab 1949 an einer eigenen seriellen Theorie. Schon in den 1950er-Jahren komponierte er erste Clusterkompositionen und wandte sich in den 1970er-Jahren der Geräuschkomposition und der elektronischen Musik zu. In der Abgeschiedenheit des Schwarzbubenlandes schuf er während Jahrzehnten ein geradezu erschütternd innovatives Werk, welches seinesgleichen sucht. Hierzu gehört auch ein grosses Konvolut an grafischen Verlaufsdiagrammen, die Meier ab 1955 zur Visualisierung und Konkretisierung seiner Kompositionen verwendete.
Trotz der Qualität seines Werkes, trotz vereinzelter Versuche der Bekanntmachung, blieb Meiers Musik lange unerhört. Bis ins 70. Lebensjahr durfte Hermann Meier nur gerade drei Aufführungen seiner Werke erleben und erst ab Mitte der 1980er Jahre trat Meiers Werk etwas aus dem Schatten. Besonders verdient gemacht haben sich diesbezüglich Urs Peter Schneider und das von ihm geleitete Ensemble Neue Horizonte Bern und der Pianist Dominik Blum, ein ehemaliger Student Schneiders. Blum veröffentlichte noch zu Lebzeiten Meiers die erste CD mit Klavierwerken, aber erst 2010 führte die basel sinfonietta zwei der 27 [!] Orchesterstücke auf.
2009 ging der Nachlass in die Hände der Paul Sacher Stiftung über, was massgeblich zu einer weiteren Bekanntmachung des Meierschen Werkes beigetragen hat. Regelmässig werden seither weitere Werke uraufgeführt, mit dem vorläufigen Höhepunkt der Uraufführung des Stückes für grosses Orchester und Klavier, HMV 62 an den Donaueschinger Musiktagen 2018. Zudem rückte Meier auch vermehrt in den Fokus der Musikwissenschaft. 2017 erschien mit Mondrian-Musik (Chronos Verlag, Zürich) eine erste, reichbebilderte Dokumentation zu Meiers Schaffen mit zwölf werk- und kontextbezogenen Artikeln, einer Zeittafel, einem Werkverzeichnis und dem Inventar des Nachlasses.
Der aart verlag hat sich zum Ziel gesetzt, das Gesamtwerk Hermann Meiers in Faksimile herauszubringen und so der Musikwelt den Zugang zu einer der erstaunlichsten musikalischen Visionen des 20. Jahrhunderts zu ermöglichen.
Brotbeck, Roman (et al.): Einleitung, in: Mondrian Musik: Die graphischen Welten des Komponisten Hermann Meier (S. 7-18), Chronos, Zürich 2017
Brotbeck, Roman: Das "kleine Hänschen" Hermann Meier und seine Mitschüler: Wladimir Vogels Schweizer Kompositionsstudenten, in: Mondrian Musik. Die graphischen Welten des Komponisten Hermann Meier (S. 81-94), Chronos, Zürich 2017
Drees, Stefan: Hermann Meier: Kammermusik und Orchesterwerke 1960-1969 (Musiques Suisses MGB CD 6268), in: Dissonanz 113 (2011), S. 98 [Internet]
Kilchenmann, Marc: Alles ist Uebergangslos und hart. Ein Ueberblick über das kompositorische Schaffen von Hermann Meier, in: Dissonanz 108 (2009), S. 13-23
Schneider, Urs Peter: Verschiedenes zu Hermann Meier, in: Dissonanz 108 (2009), S. 6-9
Schneider, Urs Peter: Verschiedenes von Hermann Meier, in: Dissonanz 108 (2009), S. 9-12